Sind Sie Navigator in der Kursänderung?
Anna ist seit einigen Monaten kommissarische Teamleiterin. Die gemeinsame Informationsrunde mit ihrem Chef für ihr Team war überwiegend positiv verlaufen. Ein Kollege hatte sein Unverständnis über die Entscheidung geäußert mit Bezug auf die noch laufenden unternehmensweiten Umstrukturierungen. Hier hatte sich die Teamdynamik entfaltet wie vor der führungslosen Zeit, denn eine Kollegin nahm ihm den Wind aus den Segeln, indem sie sagte: „Wie bisher konnte es nicht weitergehen, und von daher lassen wir uns jetzt voll darauf ein mit Anna. Da können wir als Team nur gewinnen“. Ein Gänsehautmoment für Anna.
Die nun wieder regelmäßig stattfindenden Team- und Einzel-Jour-Fixe und übrigen Rahmenbedingungen wie ein geplanter Teamtag und Unterstützung durch eine Zeitarbeitskraft hatte das Team bis auf den mimisch deutlich wahrnehmbaren Unmut des besagten Kollegen positiv aufgenommen. Anna hatte erreicht, dass der ehemalige Teamleiter die ausstehenden Feedbackgespräche nun binnen der folgenden vier Wochen nachholte. Sofern es die Kollegen wünschen, nimmt Anna an diesen Gesprächen teil, um insbesondere den Kompetenzausbau auf dem Radar zu haben.
Im Rahmen des Entwicklungsprogramms für Führungskräfte setzte Anna ihr Coaching fort. Sie hat es als besonders wertschätzend wahrgenommen, wie positiv sich ihr Chef im Auftaktgespräch mit ihrem Coach zu ihrer bisherigen Leistung und ihrer Beharrlichkeit geäußert hat. Auch die von Anna bereits herausgearbeiteten Hürden, wie bspw. ihre Befangenheit, sollte sie Ablehnung aus dem Team wahrnehmen und wie sie damit umgehen würde, konnten dank der vertrauensvollen Gesprächsatmosphäre zu dritt erörtert werden. Alle Wege standen Anna nun offen, damit sie und ihr Team den frischen Wind unter den Segeln nutzten.
Veränderung in der Veränderung
Häufig begegnet Teams noch mitten in einer Veränderung wie dem Wechsel in der Führungsposition schon die nächste. Eine Führungspersönlichkeit, die ihre Aufmerksamkeit auf den harmonischen wie effizienten aktuellen Veränderungslauf ihres Teams richtet und dabei jeden im Blick hat, beschäftigt sich also parallel mit der zielorientierten Planung der neuen Aufgabe. Bei einer zusätzlich umfänglichen Veränderung ist klare und empathische Kommunikation von Anfang an wichtig. Menschen erleben Veränderungen und deren Phasen in unterschiedlicher Geschwindigkeit und haben dadurch individuelle Hoch- und Tiefpunkte. Für ein Team gilt es, eine passende Balance der einzelnen Entwicklungen und des Teams zu finden. Hier haben Führungspersönlichkeiten eine große Verantwortung und idealerweise sensible Antennen.
Disruptive und exogen getriebene Veränderungen türmen sich hingegen plötzlich vor einem auf wie eine 100 m hohe Bugwelle, das Schiff beginnt zu rollen. Vor so einer Welle und ohne verlässliche Wettervorhersage stand auch Annas Firma, als im März von einen Tag auf den anderen alles anders wurde.
Die Maßnahmen zum „Flatten the curve“, um gesamtgesellschaftlich gesund und wirtschaftlich so stabil wie nur irgend möglich durch diese Pandemie zu kommen, veränderten rasch und heftig das Privat- und Arbeitsleben von Anna, ihrem Team und dem gesamten Unternehmen.
Wenn Anna zurückblickt in den März, stellt sie zuallererst fest, wie schnell und reibungslos der organisatorische Wechsel vom Büro-Arbeitsplatz ins Homeoffice stattfand. Hier profitierte ihr Unternehmen von der schon hohen Quote an Homeoffice-Arbeitsplätzen. Sie war das Ergebnis einer Maßnahme zur Senkung der Flächenkosten im Umbauprojekt und als Wahlmöglichkeit nach einem positiv verlaufenen Piloten umgesetzt worden. Anna hatte an dem Piloten teilgenommen, weil sie schon bei ihrem vorherigen Arbeitgeber überwiegend im Homeoffice gearbeitet hatte. Wesentliches Ergebnis des Piloten war eine „New Work Policy“, die in Workshops allen Mitarbeitern vorgestellt und in einer extra eingerichteten Work-Space-Umgebung durch Ideen permanent weiterentwickelt wurde.
Orientierung geben beim Navigieren auf Sicht
Kommunikation und die dahinterstehende Haltung sind das A und O in einer von hoher Unsicherheit geprägten Zeit, wie sie diese Pandemie darstellt. Der Kompass vieler Führungskräfte ist auf Entscheidungen anhand einer stabilen Informationsgrundlage und ihrer Expertise geeicht. Diese Kombination ermöglicht verlässliche Prognosen. In Zeiten eines Pandemiegeschehens bewegt sich die Kompassnadel schnell schwankend außerhalb dieses Komfortpunkts. Sorgen und Ungewissheit sowohl im Berufs- als auch im privaten Bereich werden relevante Einflussfaktoren für jeden Menschen. Je mehr der subjektiv empfundene Belastungspegel ansteigt und umso weniger Reflexion vorhanden, umso mehr Drift entsteht hinein in die Schattenseiten der Persönlichkeit. Was vorher nur ein kleiner Frust war, kann bei mangelnder Reflexion schnell zu Groll werden. Im schlimmsten Fall bricht dieser sich ungefiltert, negativ emotionsgeladen Bahn in der Kommunikation.
Aus der Erfahrung um die Startphase der firmenweiten Restrukturierungen war dieses Risiko allen Führungspersönlichkeiten bewusst. Daher widmeten sie sich vor dem ersten unternehmensweiten Jour-Fixe in der New Work-Ära hauptsächlich einem Thema: Wie bewältigen wir, jeder von uns, die Balance aus Orientierung und Unsicherheit, weil noch so viele Fragen offen sind? Wie holen wir unsere Mitarbeiter ideal ab, vermitteln ihnen den glaubhaften Eindruck, dass wir es gemeinsam schaffen? In welchen Themen braucht es zuerst Unterstützung? Und: wie geht es uns gerade? Und was können wir als Orientierungsfiguren tun, damit alle und das gesamte Unternehmen gut durch diese Zeit kommen?
Schnell einigten sie sich daher auf eine offene und transparente Kommunikation: es gab Antworten und Fragen, auf die es noch Antworten zu finden galt. Nur wenn beides offen transportiert wurde, blieben sie authentisch. Besonderes Augenmerk richteten sie auf die Choreographie des ersten virtuellen Jour Fixe: das „Gemeinsam“ sollte der rote Faden des Tages sein. Also gab es viel Raum für Gruppenarbeiten, so teamübergreifend wie sich die Mitarbeiter auch vorher zusammengefunden hatten. Schnell fanden sie Themen, die in einer unternehmensweiten Umfrage vor dem Jour Fixe noch Erweiterungen, erste Ideen und Nennung zur Mitarbeit erfahren sollten:
- Umgang mit unseren Kunden nach der ersten ad hoc-Information
- Können wir, komplett auf virtuelles Arbeiten eingestellt, neue Kunden gewinnen?
- Teamarbeit und Mitarbeiterentwicklung: Spirit und Maßnahmen – gerade jetzt
- Wie schreiten wir auf dem Umbaupfad unseres Unternehmens voran?
- Wie unterstützen wir uns gegenseitig?
Im Debriefing nach dem ersten Video Jour-Fixe blickten Anna und die anderen Führungskräfte voller Stolz auf die erarbeiteten Ergebnisse. Die Schwarmintelligenz und das offene Format der Gruppenarbeiten mit bewusst delegierter Verantwortung hatte hochwertige Ergebnisse gebracht. Die Work-Space-Umgebung füllte sich mit Plänen und Terminen zur Ergebnissichtung und -umsetzung. Schon beim nächsten Jour Fixe in einem Monat waren erste Ergebnispräsentationen geplant.
Das „Gemeinsam“ war erkennbares Leitmotiv. Denn es wurden auch Ideen erarbeitet, wie sich die Mitarbeiter untereinander unterstützen könnten: von virtuellen Vorlese- oder Spiel-Runden bis hin zur Unterstützung bei den Hausaufgaben für die Kinder der Mitarbeiter. Auch der Blick nach außen war erstaunlich: bspw. eine Spendensammlung für die Tafel am Ort und eine Aktion für Einkäufe für ältere Nachbarn oder eine Lernstunde zum Bestellen im Internet. Über die sozialen Medien bekam das Unternehmen sehr positive Resonanz für diese Aktivitäten.
Nun galt es, sich in dieser neuen Umgebung bestmöglich einzufinden und aufmerksam und punktgenau auf weitere Veränderungen zu reagieren. Dazu gehört für Anna und ihr Team, ihr Teambuilding unter den neuen Rahmenbedingungen umzusetzen.